In meinem nächsten Leben werde ich Moden erforschen. Im Trend drückt sich etwas Geheimnisvolles aus, das mit Markt, Psychologie, Religion und Gesellschaft nicht restlos erklärt ist. Finde ich.
Nehmen wir die gewöhnliche Kopfbedeckung: Schutz gegen Kälte und erkennungsdienstliche Behandlung. Verbergen von sündigem Haar, keinem Haar, verpfuschtem Haar. Behauptung von Status, Macht und Markentreue. Aber wieso damals die Mütze frech zur Seite und heute die Kappe cool verkehrtrum? Bedeutet der rasierte Schädel etwas über den kahlen Kopf hinaus? Von Ganzrechts mal sehr abgesehen.
Oder die Jeans für alle: Röhre, Karotte, Marlene. Auf die Knie gerutscht, unter die Brust gezurrt, verwaschen, geflickt, zerlöchert, mit und ohne Knöpfe, Gürtel und Borte. Wollen uns alle diese Hosen etwas sagen außer „kauft mich, ich bin die Neue“?
Zu den großen Revolutionen im Kleiderschrank fällt uns kurz was ein. Auf dem Weg in die Freiheit trugen wir Frauen Mini, ehrliches Make-up und nichts am Strand. Die Libertinage im Kopf sah man außen in streng Schwarz oder im Grobstrick versackt. Mit poetischer Nähe zur Akkordarbeit tauchte die Latzhose spätabends im politischen Lesekreis auf. Wie frisch aus der Nachtschicht. Der Blaumann hatte es allerdings schwer auf Dauer. Genau wie die verehrten Autoren.
„Stimmt nicht“, sagt mein Nachbar. Wäre er meine Oma, würde ich ihm ungeprüft glauben. Am schwersten hat es der Mann an sich, findet er. Seit je, überall und modisch sowieso. Jahrelang blieb er auf dem Weg ins Freie in der bestrumpften Sandale stecken. Macht jetzt mit den Haaren mal zierlich Bart, mal oben schön Krönchen. Tut sich Swarovski und Tunnel ins Ohr. Und stolpert doch immer den Damen hinterher, optisch gesehen.
Aber es gibt Hoffnung. Der Mann ist in den letzten Jahren ein großes Stück weitergekommen in Sachen permanent Make-up. Er kann jetzt feine Zeichen setzen auf Bizeps und Waden oder sich großflächig gestalten lassen. Wie gut, dass es genug Puzzleteile mit ♀ vornedrauf gibt, die sich passgenau ins Gesamtbild fügen. Wollen wir mal nicht unfair sein.
Was die Botschaft dieser Körper-Art ist, weiß ich leider nicht. NACH dem Trend sind wir leichter schlau.
Bild: Ausschnitt Felipe IV zu Pferd / Diego Velázquez ca. 1635
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Gitta (Peter) (Montag, 21 August 2017 13:33)
Ich bin die, die keine Hüte, Mützen, Kappen und Kopftücher schon gar nicht, tragen kann. Mein Kopf ist einfach zu niedlich klein. Ich versinke in allem und müsste mir erst einen Hutmacher für mich ganz alleine anschaffen. Vor gefühlten hundert Jahren habe ich mit meinem Peter einen klitzekleinen Hut gekauft (dunkel lila war der) und den habe ich geliebt. Warum der mir passte - ich weiß es bis heute noch nicht. Aber ja, die Zeiten verändern sich und mein Hut ist ich weiß nicht wo! Aber all das, was du so schön beschreibst hat mich ins grübeln gebracht... Danke für das Teilen deiner Gedanken.