Fan-Clubs

 

Stell Dir vor, Du bist Taylor Swift und rockst Castrop im Badeanzug. Oder Du bist Adele. Die singt wenigstens ok. Oder Du kannst überhaupt nichts, heißt aber Harry und die Oma war ein Superstar.

 

Das scheint mir ehrlich gesagt alles sehr mühsam. Der Badeanzug muss sitzen, die Figur ständig nachbessern, Ehemann auch. Armbändchen basteln und ab und zu eine Eintrittskarte wie Monatsmiete ist entschieden bequemer. Also besser Fan sein.

 

Das würde ich machen für - sagen wir - Reinhard Mey. Der will keine Gegenleistung, glaube ich. Höchstens Treue oder so. Das hab ich drauf. Der Kerl von den lustigen Rammelsteins ist da anspruchsvoller, sagt man. Ganz zu schweigen vom Fanclub des Donald T. Ich befürchte, der echte Fan muss in diesem Lager ganz schön weit mitgehen. „To die for“ sagt man ja schon bei der erstbesten Lieblingspizza. Falls englisch geläufig oder so tun.

 

Bei mir wär’s definitiv der Schwarzwaldbecher. „The Black Forest Cup of Ice Cream”, wenn Euch das lieber ist. Ein bisschen lang vielleicht. BFCIC schöner? Bis jetzt kennen die in Wolverhampton oder Leavenworth wahrscheinlich nur den „Riesling“. Klingt für mich immer ein bisschen wie „wrestling“. Aber ich kann auch nicht gut Englisch und verabscheue die Rebe. Obwohl Wikipedia vom „hochwertigsten und kulturprägenden Gewächs“ spricht. Vielleicht ist mein Stammbaum nicht ganz sortenrein.

 

„Sad“ sagt dazu Donald T. „Es heißt, das ist Weißwein. Ich dachte, das ist Weißwein. Jetzt soll es Rosé sein. Ich respektiere Weißwein und ich respektiere Rosé. Den Rheingau auch. Ungarn? Polen? Ich liebe Europa. Aber da ist Lüge. Traurig.“

 

Traurig auch, dass Winzer keine Fußballmannschaften haben. Das würde vielleicht die Dinge zuspitzen und die Wahrheit ans Licht bringen. Rot gegen Weiß in der Champions League. Die verschiedenen Weißen und Roten in den Ausscheidungsspielen in der unteren Liga. Köln wäre unparteiisch, die haben rot UND weiß im Wappen.

 

Hauptsache, sie müssen keine Armeen zusammensuchen, die Winzer. Selbst, wenn sie es mit „hochwertigem und kulturprägendem“ Material zu tun haben. Weil, Ultra-Fans für gefährliche Stellungen in Südkurven und Erdlöchern sind gar nicht so leicht zu finden heutzutage. Jedenfalls nicht da, wo es Schwarzwaldbecher gibt und 6 Wochen Lohnfortzahlung.

 

Trotzdem kommt es immer wieder zu Ereignissen, die wie Kriege aussehen. Obwohl mir die Fan-Clubs von sozusagen eingetragenen Staaten wenig ehrgeizig vorkommen. In Deutschland zum Beispiel scheinen mir die Gegner unseres gemütlichen Gemeinwesens entschlossener. Die stürzen sich sogar privat in Unkosten für die Liebe zu einem ganz anderen Vaterland. Wisst Ihr wie teuer Waffen sind? Und die Munition erst.

 

Ansonsten müssen sich aber Befehlshaber was einfallen lassen für ihre meist gerecht genannte Sache. Geld geht immer. Notfalls für die Witwe. Zwang, also Pflichtdienst hilft auch. Komischerweise sind auch Ideen wirksam. Luftige Versprechen für die Zukunft. Freiheit, Gerechtigkeit, ein fröhliches Leben nach dem Tod. So was.

 

Mir leuchtet das alles nicht ein. Wenn’s ums Sterben geht, mache ich normalerweise einen Friseurtermin. Vielleicht weil ich keine Kinder habe? Vater und Mutter geben ihr Leben für das Kind. Das kommt mir tatsächlich irgendwie natürlich vor. Aber vielleicht auch nur, weil das in allen Büchern steht.

 

Es gibt einen Film von Ruben Östlund mit dem deutschen Titel „Höhere Gewalt“. Vater, Mutter, Sohn und Tochter sitzen auf einer Café-Terrasse in den Bergen. Plötzlich kommt eine Staublawine runter. Der Vater bringt sich instinktiv in Sicherheit. Niemanden sonst.

 

 

Foto Susanne: Plaza de Armas/Santiago de Chile

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Carsten (Mittwoch, 14 August 2024 19:56)

    Was für ein Text - aber beim Riesling blutet mir als Pfälzer das Herz :-)

  • #2

    Doreen (Freitag, 16 August 2024 10:13)

    ...Klasse geschrieben, ich fühle eine leise Resignation und Melancholie gegenüber den Widersrüchen des Lebens, könnte mich grad fallen lassen, tief tauchen und die Absurditäten des Lebens bejammern ...gut, daran erinnert zu werden und gut, jeden Tag wieder aufzustehen und sich für das Gute zu entscheiden :-)

  • #3

    Susanne (Freitag, 16 August 2024 10:21)

    Vielleicht habe ich noch kein echtes "großes Gewächs" probiert, lieber Carsten ;)

  • #4

    Susanne (Freitag, 16 August 2024 10:24)

    Danke, liebe Doreen!